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Analyse und Entwurf eines Betriebssystems

nach evolutionären und genetischen Aspekten

 

- Proposal für die Diplomarbeit -

 

im

Fachbereich Informatik

der Universität Dortmund

 

 

vorgelegt von

Christian Stroetmann

 

28. April 2000

 

 

 

Erstgutachter und Betreuer : Prof. Dr. W. Banzhaf

Zweitgutachter : N.N.

 

Universität Dortmund

Fachbereich Informatik

Lehrstuhl für Systemanalyse

D-44221 Dortmund

 

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Motivation

1.2 Übersicht der folgenden Kapitel

2 Betriebssysteme

2.1 Ziele eines Betriebssystems

2.2 Allgemeine Struktur eines Betriebssystems

2.2.1 Komponenten eines Betriebssystems

2.2.2 Dienste eines Betriebssystems

2.2.3 Systemaufrufe eines Betriebssystems

2.3 Architekturen von Betriebssystemen

2.4 Virtuelle Maschine

2.5 Bootstrapping

2.6 Negative Eigenschaften von Betriebssystemen

2.7 Neue Anforderungen an Betriebssysteme aus der Sicht der Software-Technologie

2.7.1 Software-Tektoniken

2.7.2 Metamorphose

2.7.3 Flexible Grundlagen

2.7.4 Metaschichtenarchitektur und Reflektion

3 Entwicklung und Funktionsweise eines Gehirns

3.1 Wachstum eines multizellularen Organismus

3.2 Funktionsweise eines Gehirns

4 Piaget und künstliche Intelligenz

4.1 Piaget

4.2 Stadien der interlektuellen Entwicklung

4.3 Assimilation, Akkommodation und Equilibration

4.4 Reflektierende Abstraktion

4.5 Piaget und Künstliche Intelligenz

5 Zusammenfassung

6 Ausblick

7 Ziel der vorgeschlagenen Diplomarbeit

8 Lösungsansatz

8.1 Recherche

8.2 "Bootstrapping" eines Entwicklungsprozesses

8.2.1 "Bestäubung" der Hardware

8.2.2 Virtuelle Zellteilung

8.2.3 Prinzip eines Virus

8.3 Wachstum des Betriebssystems

Literaturverzeichnis

 

1 Einleitung

1.1 Motivation

Ein Computer-System kann grob in die vier Bestandteile Hardware, Betriebssystem, Anwendungs-programme und Benutzer unterteilt werden. Das primäre Ziel eines Betriebssystems ist in diesem Kontext einem Benutzer eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, die den Benutzungskomfort und die Effizienz eines Computer-Systems sichert (siehe [Sil,1994]) und wenn möglich sogar steigert.

Die Entwicklung von Betriebssystemen folgt zur Zeit klassischen Betriebssystem-Paradigmen und Betriebssystem-Architekturen. In der vorgeschlagenen Diplomarbeit wird eine im Vergleich zu diesen klassischen Methoden und Modellen verschiedene Philosophie verfolgt. Auf der Grundlage einer in diesem Proposal skizzierten Analogie zwischen einem Betriebssystem und einem Gehirn wird versucht, die Entwicklung und die Architektur eines Betriebssystems nach evolutionären und genetischen Aspekten zu konstruieren.

1.2 Übersicht der folgenden Kapitel

Werden im ersten Kapitel zunächst die Motivation der vorgeschlagenen Diplomarbeit und die nachfolgenden Kapitel vorgestellt, so sollen im weiteren Verlauf des Proposals die verschiedenen Einflüsse erläutert werden, die zum einen die angesprochene Philosophie und zum anderen die angedeutete Analogie verdeutlichen. Die zum Teil aus sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Bereichen stammenden Beobachtungen und Forschungsergebnisse werden in den jeweiligen Kapiteln näher beschrieben.

Das zweite Kapitel befasst sich mit den klassichen Paradigmen von Betriebssystemen, dazu gehören unter anderem die Ziele, die Struktur und die Architektur, sowie weitere Konzepte aus diesem Bereich. Aus Sicht der Software-Technologie werden daran anschliessend die negativen Eigenschaften, sowie die daraus resultierenden neuen Anforderungen angesprochen.

Das dritte Kapitel beschreibt im ersten Teil einige Aspekte bezüglich eines Gehirns die der vorgeschlagenen Diplomarbeit unter anderem als Leitfaden dienen. Der Fokus soll insbesondere auf das Wachstum und die allgemeinen funktionalen Eigenschaften eines Gehirns gelenkt werden.

Das vierte Kapitel versucht auf den im dritten Kapitel beschriebenen physiologischen Grundlagen eines Gehirns aufzusetzen und einen übergang zu der psychologischen Ebene zu schaffen. Dabei erscheinen besonders Piaget‘s Forschungsarbeiten als hilfreich. Das Kapitel wird mit einer Zusammenfassung einer Forschungsarbeit aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz beendet, die versucht Teile der Theorie von Piaget in Form eines Software-Programms zu implementieren.

Das Kapitel fünf fasst die voraus gegangenen Kapitel zusammen. Ausserdem wird in diesem Kapitel eine Zuordnung zwischen Bestandteilen eines Computer-Systems und einem biologischen Organismus vorgestellt, die das Leitbild der vorgeschlagenen Diplomarbeit ergänzen soll.

Das Kapitel sechs stellt einige kurze Ausblicke auf zukünftige Einsatzgebiete vor.

Im siebten Kapitel wird das Ziel der vorgschlagenen Diplomarbeit konkretisiert.

Das Kapitel acht beschreibt einen Lösungsansatz. Es beginnt mit den Zusammenfassungen der anhand der ersten Recherche gewonnenen Informationen. Im Einklang mit der in Kapitel fünf vorgeschlagenen Zuordnung werden daran anschliessend mehrere alternative Bootstrapping-Prozesse vorgestellt. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit einer Skizze der weiteren Entwicklung des Betriebssystems.

2 Betriebssysteme

In diesem Kapitel wird zuerst eine Übersicht über die Ziele, die Struktur und die Architektur von Betriebssystemen gegeben, wobei nur auf allgemeine Anforderungen an Betriebssysteme eingegangen wird. Anschliessend werden die Konzepte virtuelle Maschine und Bootstrapping erläutert. Da ein Betriebssystem zwar einem Benutzer die Handhabung eines Computer-Systems erleichtert, es aber auch einige Schwächen aufweist, werden diese in Kapitel 2.6 kurz angesprochen. Diese negativen Eigenschaften führen zu ergänzenden oder neuen Anforderungen an ein Betriebssystem. Aus der Sicht der Software-Technologie werden diese ergänzenden bzw. neuen Anforderungen in Form von Entwicklungsmustern kurz vorgstellt.

2.1 Ziele eines Betriebssystems

Das primäre Ziel eines Betriebssystems addressiert den Benutzungskomfort eines Computer-Systems. Ein sekundäres Ziel ist den effizienten Betrieb eines Computer-Systems zu ermöglichen. Zur Realisierung der Vorgaben kontrolliert und koordiniert ein Betriebssystem den durch verschiedene Anwendungsprogramme eines Benutzers verursachte Gebrauch von Hard- und Software-Resourcen. Durch die Kontrolle der Ausführung eines Programms versucht es Fehler zu vermeiden und den Missbrauch eines Computer-Systems zu verhindern. Die Koordination der von einem Anwendungsprogramm benötigten Hard- und Software-Resourcen soll den effizienten und "fairen" Einsatz dieser Resourcen sichern (nach [Sil,1994]).

2.2 Allgemeine Struktur eines Betriebssystems

Obwohl mittlerweile eine unbestimmte Zahl an Betriebssystemen implementiert wurde, bestehen die meisten Betriebssysteme unter anderem aus den in Abschnitt 2.2.1 aufgeführten System-komponenten. Da ein Betriebssystem ausserdem eine Umgebung zur Ausführung von Software-Programmen darstellt, muss es dazu entsprechende Dienste aufweisen (siehe Abschnitt 2.2.2). Des weiteren stellt ein Betriebssystem eine Schnittstelle zu Prozessen in Form von Systemaufrufen zur Verfügung (siehe Abschnitt 2.2.3). Weiterhin ist festzuhalten, dass die meisten Betriebssysteme durch einen auf Interrupts basierenden Mechanismus gesteuert werden.

2.2.1 Komponenten eines Betriebssystems

Zu den Komponenten der meisten Betriebssysteme zählen (nach [Sil,1994]):

  • das Management von Prozessen,
  • die Verwaltung des Hauptspeichers,
  • das Management von nicht-flüchtigem Speichern,
  • die Dateiverwaltung,
  • das Sicherheitssystem,
  • die Netzwerkfunktionen und
  • das System des Befehlsinterpreters.

2.2.2 Dienste eines Betriebssystems

Die Dienste eines Betriebssystems lassen sich in zwei Mengen aufteilen:

  • Die erste Menge unterstützt hauptsächlich einen Benutzer in der Rolle des Software-Programmierers. Sie enthält Dienste zur Programmausführung, Dateisystemmanipulation und Kommunikation, sowie für Eingabe-/Ausgabeoperationen und das Aufspüren von Fehlern.
  • Die zweite Menge dient nicht speziell einem Benutzer, sondern sichert die effiziente Ausführung des Betriebssystems im Mehrbenutzerbetrieb. Sie umfasst die Dienste für die Resourcen-Allokation, die Abrechnung bezüglich benutzter Resourcen und die Ausführung von Sicherheitsmaßnahmen.

2.2.3 Systemaufrufe eines Betriebssystems

Die Schnittstelle des Betriebssystems zu Prozessen besteht normalerweise aus den folgenden fünf Gruppen:

  • Prozesskontrolle
  • Dateimanipulation
  • Gerätemanipulation
  • Informationshandhabung
  • Kommunikation

2.3 Architekturen von Betriebssystemen

Betriebssystemarchitekturen können am einfachsten nach zwei Gesichtspunkten unterschieden werden:

  • Die einfache Architektur verbindet die in Kapitel 2.2 aufgelisteten Bestandteile eines Betriebssystems und verschmelzt diese zu einem Betriebssystemkern (kurz Kernel). Das Betriebssystem setzt direkt auf der Hardware eines Computer-Systems auf.
  • In der Schichtenarchitektur werden Schichten spezifiziert, die jeweils als Schnittstelle zwischen der Schicht unter und der Schicht über ihr dienen. In diesem Modell stellen die Hardware-Komponenten eines Computer-Systems die unterste Schicht dar. Auf dieser Hardware-Schicht liegt entweder eine Hardware-Abstraktionsschicht (kurz Nano-Kernel) gefolgt von einem darüber liegenden minimalen Kernel (kurz Micro-Kernel oder m -Kernel) oder aber direkt der m -Kernel. Erst über der m -Kernel-Schicht befinden sich diejenigen Schichten, die noch nicht erfasste Bestandteile eines Betriebssystems beinhalten. Anwendungsprogramme eines Benutzers repräsentieren in einer Schichtenarchitektur die oberste Schicht.

2.4 Virtuelle Maschine

Das Prinzip der virtuellen Maschine treibt das Prinzip der Schichtenarchitektur einen Schritt weiter. Durch den Einsatz des CPU-Schedulings und der Techniken des virtuellen Speichers kann eine virtuelle Maschine ein System simulieren, dass aus Sicht des Benutzers die Illusion von mehreren Prozessen erzeugt, denen eigene CPUs und Speicher zugeordnet sind. Ausserdem können durch den Einsatz einer virtuellen Maschine Anwendungen die für eine bestimmte Hardware eines Computer-Systems entwickelt wurden, auf anderen Computer-Systemen mit unterschiedlichen Hardware-Konfigurationen ausgeführt werden.

2.5 Bootstrapping

Das Bootstrapping-Programm ist ein "einfaches" Programm, dessen Aufgabe die Initialisierung eines Computer-Systems während eines Neustarts ist. Nach einem Kalt- oder Warmstart eines Computer-Systems initialisiert es die Inhalte der CPU-Register, die Gerätesteuerungen und den Inhalt des Arbeitsspeichers. Anschliessend muss das Bootstrapping-Programm das Betriebssystem laden und dessen Ausführung starten. Erst dann übernimmt das Betriebssystem die Kontrolle und wartet auf Interrupts seitens der Hardware.

2.6 Negative Eigenschaften von Betriebssystemen

Allgemein betrachtet ist ein Betriebssystem eine komplexe Software. Diese ist schwer zu warten und zu verändern, so neigen Reparaturen zur Zerstörung der Software-Systemstruktur und zur Steigerung der Entropie in einem Software-System (nach [Vli, 1996]). Des weiteren ist Software-Evolution nicht vorhersehbar oder bestimmbar, da zukünftige hardware- und software-technologische Anforderungen unbekannt sind.

Viel schwer wiegender ist jedoch die Tatsache, dass Benutzeranfordrungen bei der Entwicklung von Betriebssystemen verallgemeinert werden. Hat ein Benutzer speziellere Aufgaben zu bewältigen als ein Betriebssystem zulässt, so muss er entweder das eingesetzte Betriebssystem erweitern oder aber sogar das Betriebssystem wechseln. Dadurch leidet der Benutzerkomfort eines Computer-Systems, das primäre Ziel eines Betriebssystems wird also nicht ganz erreicht.

Weiterhin wird zukünftig "Der Wert von Computer-Systemen [...] nicht danach bewertet werden, wie gut sie sich für den einen Zweck eignen, für den sie entworfen wurden, sondern wie gut sie sich für Anwendungen eignen, für die sie nie vorgesehen waren." (siehe [Kay, 1984]). Heutige Betriebssysteme besitzen überhaupt nicht diese geforderte Flexibilität, so dass auch eine Realisierung solcher Computer-Systeme zur Zeit nicht möglich ist.

2.7 Neue Anforderungen an Betriebssysteme aus der Sicht der Software-Technologie

Aufgrund der im vorherigen Kapitel beschriebenen negativen Eigenschaften von Betriebssystemen ergeben sich neue Anforderungen an ein Betriebssystem. Betrachtet man ein Betriebssystem wieder als komplexe Software, so sollen diese neuen Anforderungen aus der Sicht der Software-Technologie unter anderem durch die Beachtung von Software-Entwicklungsmuster realisiert werden (siehe [Vli, 1996]). Von besonderem Interesse sind vor allem die Software-Entwicklungsmuster Software-Tektoniken, Metamorphose und flexible Grundlagen. Den einzelnen und kurzen Beschreibungen dieser Muster folgt der Abschnitt Metaschichtenarchitektur und Reflektion, in dem einige der durch die Software-Entwicklungsmuster gegebenen Heuristiken aufgegriffen werden.

2.7.1 Software-Tektoniken

Das Software-Entwicklungsmuster Software-Tektoniken betont, dass auch Software-Systeme einer gewissen Evolution unterliegen. Es fordert dem entsprechend die Einnahme einer geeigneten Sicht auf Software seitens des Entwicklers. Das Software-Entwicklungsmuster ist durch folgende Stichwörter gegeben:

  • Evolution oder Tod
  • Evolution nicht Revolution
  • Software nicht konstruieren, sondern "heran wachsen" lassen
  • Zyklischer und inkrementeller Entwicklungsprozess

2.7.2 Metamorphose

Das Software-Entwicklungsmuster Metamorphose betont die Omnipräsenz der Forderung nach Flexibilität von Software und die Problematik, dass diese Forderung teilweise nur durch die Anwendung von dynamsichen Methoden gelöst werden kann. Die folgenden Stichwörter beschreiben das Software-Entwicklungsmuster:

  • Metainformation
  • Regeln ändern
  • Leistung ändern
  • Dynamisches Schema
  • Dynamische Sprachen
  • Entfernung von "Überflüssigem"
  • Spätes Binding

2.7.3 Flexible Grundlagen

Dieses Entwicklungsmuster gibt Auskunft über Konstruktionsmerkmale von Software-Systemen, die die Resistenz dieser Systeme gegenüber Veränderungen ermöglichen. Es soll ausserdem helfen, die Anforderung an eine kontinuierliche und inkrementelle Software-Evolution zu bewältigen, wie sie seitens des Entwicklungsmusters Software-Tektoniken gestellt wird. Die drei wichtigsten Stichwörter des Software-Entwicklungsmusters flexible Grundlagen sind:

  • Offene Architektur
  • Offene Implementierung
  • Koevolution eines Betriebssystems und seiner Grundlagen

2.7.4 Metaschichtenarchitektur und Reflektion

Insbesondere die Realisierung des Entwicklungsmusters Metamorphose bedarf einer Metaschichten-architektur die ein Software-System mit einem zugehörigem Metasystem in Beziehung setzt. In dieser Kombination hat das Metasystem die Aufgabe die Dynamik der "Metamorphose" des Systems zu kontrollieren und gegebenenfalls auch zu steuern. Ebenso ist die Forderung nach einer Koevolution eines Betriebssystems und seiner Grundlagen (siehe Muster flexible Grundlagen) nicht ohne den Einsatz einer Metaschichtenarchitektur realisierbar.

Im Zusammenhang mit den obigen Software-Entwicklungsmustern und dem Begriff Metaschichtenarchitektur wird oft der Begriff Reflektion verwendet. Ein Software-System besitzt reflektive Eigenschaften, wenn es folgende zwei Kriterien nicht verletzt (siehe [Mae, 1987]):

  • Ein Software-System mit reflektiven Eigenschaften hat zur Laufzeit Zugriff auf seine eigene Repräsentation und Methoden zur Manipulation seiner Repräsentation.
  • Diese Manipulationen seiner Repräsentation muss sofort in die weitere Ausführung des Software-Systems einfliessen.

Ein Software-System mit reflektiven Eigenschaften ist wünschenswert, da durch die Realisierung eines solchen Systems unter anderem viele durch die Software-Entwicklungsmuster geforderten Eigenschaften umgesetzt werden können.

3 Entwicklung und Funktionsweise eines Gehirns

Damit der Leitfaden der vorgeschlagenen Diplomarbeit erfasst werden kann, bedarf es weiterhin der Beschreibung einiger Beobachtungen aus der Biologie. Das Kapitel 3.1 befasst sich zunächst mit dem Prozess des Wachstums einer Zelle zu einem komplexen Organismus. Die messbaren Gehirnaktivitäten während dieser Entwicklungsphase geben weitere Anregungen. Das Kapitel 3.2 beschreibt anschliessend kurz einige ausgewählte Interpretationen der Funktionsweise und der Fähigkeiten eines Gehirns.

3.1 Wachstum eines multizellularen Organismus

Den auftretenden Fragen die sich aus der Entwicklung von multizellularen Organismen ergeben stellt sich die entwicklungsgetriebene Biologie. Dieser Bereich der Biologie beschäftigt sich mit allen Aspekten der Entwicklung eines Organismus. Zu diesen Aspekten zählen sowohl die Erforschung von den Genen als auch von den molekularen Ereignissen, die die strukturalen Veränderungen die ein Organismus während seiner Entwicklung durchläuft kontrollieren. Die Betonung liegt auf der Dynamik des Entwicklungsprozesses mit den einhergehenden strukturalen Veränderungen. Unterstützende Erkenntnisse stammen aus der molekularen, genetischen und zellularen Biologie, wobei vor allem die molekulare Biologie mit evolutionären Prinzipien verknüpft wird.

Hervorzuheben sind an dieser Stelle zum einen der beobachtbare Entwicklungsprozess eines multizellularen Organismus. Dieser beginnt mit genau einer Zelle, die durch Zellteilung und Austausch von Botenstoffen zu einem komplexen Organismus heranwächst. Solch ein Organismus kann zum Beispiel im Fall der Spezie Mensch auch ein Gehirn besitzen.

Zum anderen ist die sogenannte Rapid Eye Movement oder auch der paradoxische Schlaf bemerkenswert. Der paradoxische Schlaf ist eine in bestimmten Abständen auftretende, messbare und rythmische Bewegung der Augen. Bei Embryonen wird vermutet, dass er die Quelle der Stimulation während der Selbstorganisation des sich bildenden Gehirns ist (siehe zum Beispiel [Mir, 1986]).

Zusammen genommen würde die Richtigkeit der Beobachtungen bedeuteten, dass der Entwicklungsprozess eines Gehirns schon in einem frühen Stadium reflektive Eigenschaften aufzeigt. Während ein Gehirn mit genau einer Zelle beginnend wächst, wird zu einem Zeitpunkt eine gewisse Anzahl an Neuronen mit geringer Funktionalität aufgebaut. Diese geringe Funktionalität dient während des Entwicklungsprozesses in der Phase des paradoxischen Schlafs der eigenen Organisation und somit wiederum auch der eigenen Weiterentwicklung eines Gehirns.

Betrachtet man den Entwicklungsprozess eines Gehirns weiterhin aus der obigen Sicht, so stellt sich die Frage des "Bootstrappings" eines Gehirns. Schliesslich muss zu einem Zeitpunkt die im Wachstum aufgebaute Gehirnmasse mit der Ausführung von Funktionen beginnen. Wie ein Modell dieses "Bootstrappings" und der Aufbau der dazu notwendigen "kritischen Masse" aussieht ist in der Biologie noch nicht untersucht worden.

3.2 Funktionsweise eines Gehirns

Die genaue Funktionsweise eines Gehirns ist bis heute nicht bekannt. In der einfachsten Ansicht kann ein Gehirn als ein Eingabe-/Ausgabesystem abstrahiert werden. Ein Gehirn erhält Informationen durch Nervenzellen und Sinnesorgane, verarbeitet die eintreffenden Informationen und trifft Entscheidungen die zu einer Reaktion des betreffenden Organismus führen.

Eine einfache Synthese des Gehirns unterscheidet zwischen dem A-Gehirn und dem B-Gehirn. Die Neuronen des A-Gehirns stehen in Kontakt mit der äusseren Umgebung und den internen Organen und erhalten so Informationen. Die Neuronen des B-Gehirns stehen nur in Kontakt mit Neuronen des A-Gehirns. Das B-Gehirn wird über die Neuronen des A-Gehirns informiert und kann dieses kontrollieren. Diese Kontrolle kann nicht nur bestimmte Bereiche, sondern auch die Gesamtheit des A-Gehirns betreffen. In diesem Modell repräsentiert das A-Gehirn das gewöhnliche Gehirn und das B-Gehirn das Bewusstsein (siehe [Min, 1988]).

Andere Forschungsergebnisse zeigten, dass die Informationen verarbeitenden Prozesse sich wie eine immer wiederkehrende Abfolge von Synchronisation, Bewusstseinsbildung und Reaktion, sowie nachfolgender Desynchronisation verhalten. Diese Abfolge kann das gesamte Gehirn einbeziehen, was zu der Gesamt-Gehirn-Hypothese führt. Das Modell eines festverbundenen Netzwerks ist nach diesen Erkenntnissen nicht mehr haltbar (siehe [Chevallier]).

Weitere Forschungen ergaben, dass die informationsverarbeitenden Prozesse eine fraktale Geometrie bezüglich der Zeit besitzen (nach [And, 1999]). Diese fraktalen Eigenschaften der im Gehirn ablaufenden Prozesse bleiben auch nach der Entfernung einiger Gehirnteile erhalten. Hierdurch zeigen sich zusätzlich holologische Aspekte bezüglich der Funktion eines Gehirns. Experimente mit Salamandern und Ratten verdeutlichten, dass die Fähigkeit bestimmte Aufgaben ausführen zu können auch nach der Entfernung von Gehirnteilen erhalten bleibt oder zumindestens wiedererlangt wird.

Die Idee eines modernen computer-ähnlichen Betriebssystems eines Gehirns ist verknüpft mit dem Vorschlag von Johnson-Laird (siehe [Joh, 1983]). Das entworfenen System entspricht einem selbstorganisierenden neuronalen Netzwerk. Mögliche Defizite in einem Unternetzwerk halten nicht die im gesamten Netzwerk auftretenden Aktionen auf.

Insgesamt festzuhalten ist aber, dass das Phenomen der Körperbildung dem Phenomen der Bewusstseinsbildung vorrauszugehen scheint. Eine Ansicht ist, dass der Körper dem Bewusstsein entweder ontogenetisch (in der Entwicklung eines Kindes) oder phylogenetisch (in der Evolution der menschlichen Spezie) vorhergeht. Die Einnahme dieser Ansicht bedeutet auch, dass der physikalische Körper ein notwendiges Substrat für das Mentale sein muss (siehe [Damasso]). In der oben beschriebenen einfachen Synthese eines Gehirns in A-Gehirn und B-Gehirn werden beide Teile, der Gehirnkörper und das Bewusstsein, als Gehirn zusammen gefasst.

4 Piaget und künstliche Intelligenz

Standen im vorherrigen Kapitel noch die physiologischen Eigenschaften eines Gehirns im Vordergrund, so beschäftigt sich dieses Kapitel mit Piaget‘s Forschungsarbeiten. Das besondere an Piaget war sein Versuch, eine psychologische Theorie des Lernens und des Schlussfolgerns zu entwickeln, deren Grundlage die physiologischen Gegebenheiten eines menschlichen Gehirns sind. Das Kapitel 4.1 fasst Piaget‘s Erkenntnisse zusammen. Das nachfolgenden Kapitel 4.2 beschreibt, wie eine Brücke zu dem Bereich der künstlichen Intelligenz geschlagen werden kann.

4.1 Piaget

Piaget war sehr interessiert an der Anwort auf die Frage, wie Kinder die Welt kennenlernen und an der weiteren Entwicklung von bereits vorhandenem Wissen. Er entwickelte seine kognitive Theorie durch die Beobachtung von Kindern, zu denen auch seine eigenen Kinder gehörten. Durch die Anwendung einer Standardfrage oder Standardmenge von Fragen folgte er dem kindlichen Erlernen des Denkens. Dabei liess er die flexibele Handhabung der Befragung der Kinder zu. Piaget glaubte, dass die spontanen Kommentare der beobachteten Kinder wertvolle Aufschlüsse über ihr Denken gaben. Er war nicht an der richtigen oder falschen Beantwortung der Frage oder Fragen interessiert, er verfolgte vielmehr das Ziel, den Mechanismus der die Logik und die Schlussfolgerungen die die Kinder gebrauchten formt zu erklären. Piaget schloss aus seinen Beobachtungen, dass während ein Kind sich entwickelt, es immer mit seiner Umgebung interagiert und so Wissen anreichert und erneuert (siehe zum Beispiel [Pia, 1972]). Seine Theorie über die interlektuelle Entwicklung basiert sehr auf dem wissenschaftlichen Bereich der Biologie (siehe [Pia, 1983]). Er sah das kognitive Wachstum als Erweiterung des biologischen Wachstums an. Aus diesem Grund vertrat er die Ansicht, dass das kognitive Wachstum somit auch den Regeln und Prinzipien des biologischen Wachstums unterliegt. Aus dieser Sicht leitet sich weiterhin der durch Piaget geprägte Begriff genetische Epistemologie ab. Ein lebenslanges Ziel war die Suche nach einer Erklärung für eine Entwicklung des Wissens, die keiner "Vorformatierung" und keinen umgebungsbedingten Determinismus bedarf.

4.2 Stadien der interlektuellen Entwicklung

Piaget erkannte, dass Kinder in ihren verschiedenen Lebensabschnitten unterschiedlich denken und schlussfolgern. Er glaubte, dass jeder Mensch eine invariante Sequenz von vier qualitativ veschiedenen Stadien durchwandert. In jedem dieser Stadien müssen bestimmte kognitive Aufgaben erfüllt werden (siehe [Gin, 1998]). Obwohl jedes normale Kind die Sequenz der Stadien in der gleichen Reihenfolge durchläuft, existiert nach Piaget eine Variabilität bezüglich des Alters eines Kindes in dem es das nächste Stadium erreicht. Die vier Stadien sind im einzelnen:

  • sensorimotorisches Stadium - Geburt bis 2 Jahre,
  • preoperationales Stadium - 2 bis 7 Jahre,
  • konkret operationales Stadium - 7 bis 11 Jahre und
  • formal operationales Stadium (abstraktes Denken) - 11 Jahre und älter.

4.3 Assimilation, Akkommodation und Equilibration

Piaget benutzte bei seinen Forschungen das Konzept der Aktivität und der Evolution von kognitiven Schematas. Wann immer ein kognitives Schema (oder eine logische Struktur) verwendet wird, wird dieses an seiner Umgebung angewandt. Die Anwendung eines Schemas an dem gleichen Typ von Objekt immer der gleichen Methode folgend, ist nicht sehr hilfreich für die weitere Entwicklung, da dieses Vorgehen das Schema nicht erweitert. In Piaget‘s Terminology wird die Anwendung eines Schemas an eine neue Situation Assimilation genannt. Die Assimilation funktioniert nicht immer. Unter solchen negativen Umständen ist die Erweiterung eines Schemas notwendig. Eine Verbesserung eines Schemas an seine Umgebung nannte Piaget Akkommodation. Das entwicklungsbezogene Ideal ist die Balance oder das Equilibrium zwischen Assimilation und Akkommodation. Die Gesamtheit der Prozesse und Einschränkungen die eine Balance anstreben nannte er Equilibration. Die Equilibration kann verschiedene Ausprägungen haben. Diese sind von den involvierten Schematas und den Fehlern der Assimilation abhängig.

4.4 Reflektierende Abstraktion

Die reflektierende Abstraktion wurde von Piaget für die grösseren Entwicklungsschritte verantwortlich gemacht. Piaget sagte, dass die reflektierende Abstraktion der allgemeine konstruktive Prozess der Mathematik ist. Dieser konstruktive Prozess hat zum Beispiel dazu gedient, die Algebra aus der Arithmetik zu konstruieren, als eine Menge von Operationen angewandt auf Operationen. (siehe [Dam, 1998]). Sie abstrahiert von und generalisiert über die vorrausgehenden Wege der Koordination von Aktionen. Eine Weiterentwicklung zu den höheren Stadien der interlektuellen Entwicklung hängt von der reflektierenden Abstraktion ab, also von der Fähigkeit die Eigenschaften der eigenen Handlungen oder die Regeln nach denen sie koordiniert werden kennen zu lernen. Da kognitive Strukturen immer in mathematischen Termen ckarakterisiert wurden, war auch die reflektierend Abstraktion grundlegend als mathematische, logische Terme zu Piaget's Zeiten verstanden worden (siehe zum Beispiel [Pia, 1965]).

4.5 Piaget und Künstliche Intelligenz

Die in diesem Kapitel kurz beschriebene Forschungsarbeit (siehe [Dre, 1986]) versucht Piaget‘s Erkenntnisse mit dem Bereich der künstlichen Intelligenz zu verknüpfen, indem ein Schemamechanismus vorgeschlagen wird. Der Schemamechanismus startet mit einer Menge von sensorischen und motorischen Primitiven. Er soll dann eine Serie von Charakteristiken kognitiver Konstruktionen nachvollziehen, die hauptsächlich das von Piaget beschriebene sensorimotorische Stadium betreffen. Der Schemamechanismus fokusiert auf Piaget's Konzepte der Assimilation und Akkomodation. Ein Schema wird in dieser als eine Vorraussage konstruiert. Die Vorraussage gibt Auskunft über eine bestimmte Handlung die zu einem bestimmten Zustand der Umgebung führt, wenn gesichert ist, dass einige weitere Zustände sich nicht verändern. Ein Schema wird als Behauptung über die Welt und als ein Element eines zielgerichteten Plans benutzt. Entsprechend den beobachtbaren Effekten der Handlungen eines Schemas können die Schemaattribute durch einen entsprechenden Mechanismus verändert werden. Hierdurch werden unter anderem neue Elemente zu den initialen oder finalen Zustandsspezifikationen hinzugefügt. Zur Identifikation relevanter Zustandselemente ist der Mechanismus in der Lage, die grosse Menge der dazu aufgestellten Hypothesen zu durchsuchen. Der Schemamechanismus kann weiterhin neue Handlungs- und Zustandselemente selbständig konstruieren. So erstellt der Mechanismus zum Beipiel ein neues Zustandselement um eine Konstellation zu beschreiben, die in diesem Zeitpunkt noch nicht durch vorhandene Zustandselemente beschrieben wird. Der Ansatz enthält weiterhin die Beschreibung eines hypothetischen Szenarios über den Einsatz des Schemamechanismus. Entsprechend dem von Piaget eingeführten Begriff genetische Epistemologie wird für diesen Forschungsbereich der Begriff genetische Künstliche Intelligenz vorgeschlagen.

5 Zusammenfassung

Dieses Kapitel konzentriert sich im ersten Teil mit der Beschreibung einer Analogie zwischen der Entwicklung eines Gehirns und der Entwicklung eines Betriebssystems, sowie deren Funktionsweisen. Bei dieser Beschreibung der Analogie wird auf die in den Kapitel 2 und Kapitel 3 beschriebenen Beobachtungen und gemachten Aussagen aufgebaut.

Der Ausgangspunkt der vorgeschlagenen Diplomarbeit ist zunächst die einfache Hardware. Diese wird sozusagen durch einen Prozess "bestäubt", dessen Ergebnis eine "virtuelle Zelle" ist. Nach evolutionären (und biologischen) Prinzipien soll dann aus dieser Zelle eine Struktur wachsen, die mit der Zeit an funktionalen Fähigkeiten gewinnt. Die Entwicklung soll in mehreren Phasen aufgeteilt werden, so dass auch Prinzipien wie zum Beispiel der paradoxische Schlaf oder die Metamorphose integriert werden können. Hat das System eine gewissen Grad an Funktonalität erlangt folgt die weitere Entwicklung dem Piaget‘s Rahmenwerk und ist somit abhängig von den sensorischen und motorischen Gegebenheiten. Deshalb wird folgende Zuordnung der physiologischen Sinne und der Muskeln eines Organismus zu einer möglichen zugrundeliegenden Hardware vorgeschlagen:

  • das Fühlen - die Tastatur und die Maus
  • das Hören - das Mikrofon, die Netzwerkkarte und das Modem
  • das Sehen - die Videokamera und der Scanner
  • die Muskeln - der Monitor und der Drucker
  • das Sprechen - der Lautsprecher, die Netzwerkkarte und das Modem
  • die bereits vorhandene Gehirnmasse und -funktionalität - das BIOS und die CPU
  • der Puls - der CPU-Takt
  • Die intellektuellen Eigenschaften die das System erreichen soll, sind in diesem Kontext dann die Eigenschaften eines Betriebssystems. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die vorgeschlagene Diplomarbeit nicht versuchen will ein menschliches Gehirn zu modellieren oder zu simulieren. Das zu modellierende Zielsystem soll vielmehr, wenn dies überhaupt erreicht werden kann, eine Intelligenz im Sinne des maschinellen Lernens entwickeln können.

    Die oben angedeutete Analogie lässt zunächst viele Fragen unbeantwortet. Einige dieser Fragen sollten im Rahmen der vorgeschlagenen Diplomarbeit beachtet werden und sind deshalb nachfolgend aufgeführt:

    Wie soll das "Bootstrapping" des Wachstums einer "virtuellen Zelle" funktionieren und welche Struktur muss dabei entstehen?

    Wie ist der konkrete Entwicklungsprozess eines solchen Software-Systems zu gestalten?

    Wie sieht die Ontologie des Software-Systems aus?

    Wie werden Eingaben zu Ausgaben verarbeitet?

    Wie wird Wissen gespeichert und wie erfolgt der Zugriff auf Wissen?

    Wie erlernt das Software-System die Funktionen eines Betriebssystems?

    Wie kann der zukünftige Benutzer das Software-System steuern, beobachten und kontrollieren?

    Wie kann man solche Software-Systeme kreuzen?

    6 Ausblick

    Die Realisierung eines solchen Systems würde bedeuten, dass jegliche Hardware "bestäubt" oder mit einem "Saatkorn bestellt" werden könnte, durch dessen Entwicklung ein aus Sicht der maschinellen Intellligenz intelligentes Software-System "wächst". Der Begriff Hardware bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht nur auf die in heutigen Computer-Systemen verbaute Hardware, sondern auch auf zukünftige Computer-Systeme mit quanten-, photonen- oder molekülbasierten CPUs. Die Architekturen und Leistungsvermögen der auf solchen CPUs aufbauenden Computer-Systeme werden zusätzliche und wesentlich komplexere Anforderungen insbesondere an ein Betriebssystem stellen. Jüngere Forschungsprojekte am Media Lab des Massachusetts Institute of Technology und dem Almaden Lab des Unternehmens [...] versuchen mittlerweile Computer-Systeme zu entwickeln, die dem Benutzer mehr Aufmerksamkeit geben. Erste prototypische Systeme können zum Beispiel auf die körperliche, als auch auf die emotionale Verfassung eines Benutzers eingehen.

    7 Ziel der vorgeschlagenen Diplomarbeit

    In der vorgeschlagenen Diplomarbeit soll ein Betriebssystems nach evolutionären und genetischen Aspekten modelliert werden. Während der Erstellung der Spezifikation und des Entwurfs sollen unter anderem die Integration von Methoden des evolutionären Rechnens und des künstlichen Lebens Beachtung finden. Weiterhin sollen Teilaspekte gefunden werden, die prototypisch implementiert werden können. Eine mögliche Verknüpfung mit einem Betriebssystem des menschlichen Gehirns kann und soll in der vorgeschlagenen Diplomarbeit hingegen nicht untersucht werden.

    8 Lösungsansatz

    Der folgende Vorschlag eines Lösungsansatzes soll den Leitfaden der vorgeschlagenen Diplomarbeit konkretisieren (siehe auch Kapitel 5). In Kapitel 8.1 werden die Ergebnisse der ersten Recherche kurz zusammengefasst. In den weiteren Kapiteln werden diese Ergebnisse dem bereits angedeuteten biologischen Entwicklungsprozess folgend beschrieben. Zunächst werden drei Bootstrapping-Varianten des Entwicklungsprozesses vorgestellt (siehe Kapitel 8.2). Aus dem Entwicklungsprozess soll eine virtuelle logische Maschine mit noch zu ermittelnden Eigenschaften entstehen (Kapitel 8.3). Die virtuelle Maschine soll dann die Grundlage für das sich weiterentwickelnde Betriebssystem darstellen. Für die Konstruktion der virtuellen logischen Maschine bedarf es zuvor aber der Beschreibung eines logischen Modells. Bei dem Versuch der Aufstellung eines logischen Modells erweist sich die Forderung nach der Reflektivität als problematisch. Deshalb weichen mehrere Forschungsprojekte auf unterschiedliche logische Systeme aus, die zum Teil die klassichen logischen Ansichten erweitern (Stichwort Nicht-klassische Logik) oder aber nicht mehr beachten (Stichwort Kybernetische Logik).

    8.1 Recherche

    Die erste Recherche ergab zunächst, dass der Begriff Reflektion und die reflektive Eigenschaft für neue Software-Systeme von einigen Forschungsgruppen als sehr wichtig anerkannt wird. Es existieren verschiedene Forschungsarbeiten die das Problem der Reflektion aus Sicht der klassischen, nicht-klassischen und kybernetischen Logik erfassen und auf dieser Basis aufbauend ein Software-System spezifizieren. Eine weitere Suche nach Informationen wurde deshalb in dem Bereich der Logik unternommen. Im weiteren Verlauf der Recherche und nach der Untersuchung von ungefähr 45 Betriebssystemen aus der Forschung zeigte es sich als vorteilhaft, nach logischen Betriebssystemen zu recherchieren. Einen Mangel gab es zu diesem Zeitpunkt bezüglich eines nach biologischen Regeln und Prinzipien ablaufenden Entwicklungsprozesses. Weitere Anregungen ergaben sich aus den Bereichen der Fraktale, der isodipolen Texturen, der Wavelet-Transformationen und dem Bereich des künstlichen Lebens.

    8.2 "Bootstrapping" eines Entwicklungsprozesses

    Das "Bootstrapping" eines Entwicklungsprozesses eines Betriebssystems kann in verschiedenen Varianten erfolgen. Die folgenden Abschnitte beschreiben drei dieser Möglichkeiten. Die erste Variante startet nur mit der Hardware eines Computer-Systems, die "bestäubt" werden muss. Aus dem Prozess der "Bestäubung" wird der Entwicklungsprozess einer "virtuellen Zelle" gestartet. Ist eine "virtuelle Zelle" enstanden, geht die erste Variante in die zweite Variante über. In der zweiten Variante existiert bereits eine "virtuelle Zelle". Aus dieser Zelle soll dann ein Entwicklungsprozess ein Software-System nach biologischen Regeln und Prinzipien aufbauen. Die letzte Variante orientiert sich dagegen besonders an dem Vorgehen eines Virus, der sich in einem bereits existierenden Software-Systeme einnistet.

    8.2.1 "Bestäubung" der Hardware

    Diese Variante stellt den direktesten Weg der Philosphie dar. Hier muss durch die im BIOS gespeicherte Bootsequenz der zugrundeliegenden Hardware die Ausführung einer einfachen Funktion provoziert werden. Die einfache Funktion initialisiert das System in einer bestimmten Weise in dem sie zum Beispiel den Arbeitsspeicher beschreibt. Der Initialisierungsprozess durchläuft mehrere Stufen bis eine "kritische virtuelle Masse" entstanden ist. Die Bewertung dieser "kritischen virtuellen Masse" soll nach rein quantitativen Messungen erfolgen, zum Beispiel durch die Messung des verbrauchten Speicherplatzes. Diese "virtuelle Masse" soll die erste "virtuelle Zelle" mit zugehöriger "virtueller DNA" darstellen. Der weitere Entwicklungsprozess dieser so entstandenen "virtuellen Zelle" wird in der nächsten Variante beschrieben.

    Eine Klasse von Kandidaten für eine einfache Funktion die das System initialisiert sind zum Beispiel Funktionen die Fraktale oder isodipole Texturen beschreiben. Nach dem Beschreiben des Arbeitsspeichers besitzt der Inhalt bestimmte Eigenschaften, die dann im weiteren Entwicklungsprozess ausgenutzt werden.

    8.2.2 Virtuelle Zellteilung

    Im Gegensatz zu der ersten Variante liegt der Fokus auf einer bereits vorhandenen "virtuellen Zelle", die eine "virtuelle DNA" enthält. Die "virtueller DNA" repräsentiert eine Struktur, die zum Beispiel Informationen über zwei Baupläne enthält. Der eine Teil enthält die Bauanleitung für die "virtuelle Zellteilung" und der andere Teil die Atome eines logischen Modells für den m -Kernel eines logischen Betriebssystems. Beide Bauplane sind ineinander verschränkt. Eine einfache Funktion sorgt für die Reproduktion der Zellen bis erneut eine "kritische virtuelle Masse" entstanden ist. Die einfache Funktion entschlüsselt dabei eigentlich nur die in der "virtuellen DNA" enthaltenen Informationen und baut dadurch neue Strukturen im Arbeitsspeicher auf.

    Da in dieser Variante bereits die Atome eines ganzen Kalküls reproduziert werden, ist in dieser "kritischen virtuellen Masse" auch eine qualitativ bewertbare Funktionalität enthalten. Eine deshalb vorhandene Funktion könnte zum Beispiel ein zum paradoxischen Schlaf äquivalenter Algorithmus sein, der zur Reorgansiation der entstandenen Struktur dient. Ausserdem kann durch Reorganisationsphasen das System durch Reifikation an Funktionalität gewinnen. Zum Schluss seiner Entwicklung solle durch Metamorphose eine virtuelle logische Maschine entstehen, die konform zu den in der "virtuellen DNA" enthaltenen Atome eines logischen Modells ist. Die virtuelle logische Maschine setzt direkt auf der Hardware auf und soll bereits reflektive Eigenschaften besitzen.

    Insbesondere Algorithmen aus dem Bereich des künstlichen Lebens können hier Anwendung finden. Der Wettbewerb Corewar gibt zum Beispiel Einblicke wie eine einfache Funktion aussehen könnte. Die Grösse eines simulierten Arbeitsspeichers ist vorgegeben und ringförmig indiziert. In diesem Bereich kämpfen zwei sogenannte Warriors gegeneinander. Ein Warrior ist ein Programm mit maximal 100 Befehlen und beschreibt einen Algorithmus, der dann im simulierten Arbeitsspeicher als Prozess ausgeführt wird. Die benutzbaren Befehle lehnen sich sowohl in Syntax als auch in Semantik an Assembler-Programmiersprachen an. Jeder Prozess ist abwechselnd an der Reihe einen Prozesschritt durchzuführen. Das Ziel des jeweiligen Prozesses ist den anderen Prozess zu zwingen einen bestimmten Stop-Befehl auszuführen. Dabei wird unter anderem von den Warriors die Möglichkeit ausgenutzt, den Inhalt des Arbeitsspeichers zu überschreiben. Hierdurch können bestimmte Stop-Befehle "dem Gegner als Minen in den Weg gelegt" oder "als Bomben geworfen" werden.

    8.2.3 Prinzip eines Virus

    Diese Variante erfordert ein bereits aktives Computer-System als Umgebung in der die Entwicklung einer "virtuellen Zelle" bis zu seiner Metamorphose zur virtuellen logischen Maschine geschützt wird. Dieses Vorgehen erlaubt die Benutzung bereits vorhandener Resourcen, also auch bereits vorhandener Betriebssystemdienste. Die Variante wird durch folgende mathematische Aussage gestützt: Wenn ein berechenbares reflektives System möglich ist, sichert die Theorie der Berechenbarkeit, dass das System von einem turing-äquivalenten System "bootstrapped" werden kann. Dazu ist ein geeigneter Evaluator nötig (siehe [Ban, 1999]). Das eigentliche Problem verschiebt sich somit auf die Beantwortung der Frage, wie ein logisches Modell eines Evaluators zu gestalten ist.

    8.3 Wachstum des Betriebssystems

    Das weitere Wachstum des Betriebssystems ist dem Vorschlag Piaget‘s folgend in Stadien aufgeteilt. Hinzu kommt die in Kapitel 5 vorgeschlagene Zuordnung der physiologischen Sinne und Muskeln zu der zugrundeliegenden Hardware. Zunächst muss von der virtuellen Maschine die Benutzung der Hardware verstanden werden. Dabei stellen Wavelet-Transformationen und das Lifting-Schema interessante Werkzeuge dar. Die weiteren Schritte umfassen die Entwicklung der einzelnen Betriebssystemkomponenten und das Erlernen von Betriebssystemdiensten.

    Die virtuelle logische Maschine sollte ausserdem Dienste für die logische Programmierung zur Verfügung stellen und in der Lage sein, den Quellcode einer logischen Programmiersprache interpretieren zu können. Dadurch kann das Problem der Realisierung einer Programmierschnittstelle gelöst werden. Auf dieser Programmierschnittstelle können dann zum Beispiel Methoden der Intentionalen oder aber der genetischen Programmierung aufbauen.

    Letztendlich sollte sich die Entwicklung und die Weiterbildung des Betriebssystems nach den bereits in Kapitel 2.1 und 2.7 angesprochenen Anforderungen an ein Betriebssystem richten.

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    Anderson, Carl M.: Spontaneous Fractal Behavior from Ion Channels to the Internet: A Bridge from Molecules to Minds. Harvard Medical School, Consolidated Department of Psychiatry, Online-Publikation remfractal.mclean.org:8080/intro.html, 1999

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    Ban, Dang V.; Rideau, Francois R.: Reflection, Non-Determinism and the l -Calculus. France Telecom, Online-Publikation www.tunes.org/~fare, 1999

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    Ginsburg, Herbert P.; Opper, Sylvia: Piaget‘s Theorie der geistigen Entwicklung.
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    Piaget, Jean: Logic and psychology. Manchester University Press, 1965

    [Pia, 1972]

    Piaget, Jean: Urteil und Denkprozeß des Kindes. Pädagogischer Verlag Schwann, 1972

    [Pia, 1983]

    Piaget, Jean: Biologie und Erkenntnis. Fischer-Taschenbuch, 1983

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    Silberschatz, Galvin: Operating System Concepts. Addison-Wesley,1994

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    Vlissides, John M.; Coplien, James O.; Kerth, Norman L.: Pattern Languages of Program Design 2. Addison-Wesley, 1996

    [Chevallier]

    Chevallier: Quelle zur Zeit noch unvollständig

    [Damaso]

    Damaso, Antonio: Quelle zur Zeit noch unvollständig

       
     
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